Challenge Roth

geschrieben von Eric Borger am 12.07.2009


Mein persönlicher Rennbericht vom 12.7.09 in Roth

Es gibt Tage im Leben, die vergisst man einfach nicht, die bleiben haften, egal was passiert. Manchmal sind diese Tage mit schönen, manchmal mit weniger schönen Dingen verknüpft. Ihnen gemein ist das Einmalige, das Besondere.

Der 12.7. war für mich ein solcher Tag. Ein gutes halbes Jahr hatte ich auf diesen Tag mal mehr, mal weniger hintrainiert. Immer stand – zumindest unterschwellig – dieser Tag als DAS Ziel am Horizont. Klar, häufig sagte ich mir „ist ja nur Sport, ein Hobby“. Aber machen wir uns nix vor, es war schon ein wenig mehr. An diesem Tag sollte sie fallen, die 10-Stunden Schallmauer auf der Langdistanz. 2 mal schon war ich in Frankfurt mit Magenproblemen um 8 Minuten an dieser verflixten Traumgrenze für jeden Triathleten gescheitert. Dieses Mal sollte es endlich klappen, wenn nicht jetzt, dann nie! Aber der Reihe nach:

Am Freitag waren wir mit der ganzen Truppe nach Greding angereist. Wir, das sind meine „Mitstreiter“ Stephan, Benny und Sascha mit denen ich zahlreiche Traningskilometer zusammen abgespult hatte und unsere Familien. Greding sollte unser Stützpunkt sein. Ideal für die Familien, da hier die Radstrecke 2 mal über die nicht gerade unbeachtliche Asphaltblase namens „Kalvarienberg“ vorbeiführte.

War der Freitag noch durch zahlreiche lockere Sprüche und eine extrem entspannte Stimmung gekennzeichnet, so änderte sich das bei mir im Laufe des Samstags. Recht locker war noch unser 3 km Läufchen am Morgen, das dem Körper noch einmal signalisieren sollte, dass er am nächsten Tag so richtig „einen auf die 12 bekommt“. Auch das Mundwerk war gelegentlich noch locker und jeder machte mal kurz einen auf „dicke Hose“. Entspannung trat vor allen Dingen ein, als uns Stefan mit seinem Sprinter unsere „Schätzeleins“ (sprich unsere Räder) aus dem Hessenland brachte. Vielen dank an Stefan; ein super Service! Insgesamt wuchs die Anspannung und Nervosität aber zunehmend; zumindest bei mir. Eigentlich ein gewohntes Gefühl bei einer Langdistanz, aber doch immer wieder neu. Bei mir kamen dann auch noch diverse Wehwehchen dazu. Hier ein Aua, dort ein Aua. Eigentlich nicht die besten Voraussetzungen für 10 Stunden, ich meine 9:59 Stunden, Sport. Aber a) werde auch ich nicht jünger und b) bin ich inzwischen dafür bekannt und gefürchtet, dass je mehr ich jammere, desto besser die Performance am Ende ist. Zu meinen körperlichen Gebrechen kamen am Samstagmorgen auch noch technische Probleme mit meinem Gaul, der mich 180 km durch’s fränkische Seenland tragen sollte. Ein kaputtes Ventil im Vorderrad ließ sich noch recht einfach beheben. Problematischer war schon die plötzlich nicht mehr 1a funktionierende Schaltung. Die Krönung war das plötzliche Spiel, das ich in der Hinterradnarbe entdeckte (oder sollte ich besser sagen „glaubte entdeckt zu haben) und das mir die zig-tausend Kilometer zuvor nie aufgefallen war. Lange Rede, kurzer Sinn: das „P“ für „Panik“ auf meiner Stirn wurde immer größer. Aber ich wäre ja kein echter Sportskamerad, wenn ich die aufkommende Nervosität und Panik für mich allein behalten hätte. Stephan, Benny und Sascha sollten schließlich auch etwas abbekommen. Zum Glück schienen die die Coolness eimerweise zu sich genommen zu haben, besonders Sascha. Sie kamen auf die glorreiche Idee noch einmal kurz beim „Buchstaller“ (DEM Radmagier in Hilpoltstein) vorbeizufahren; der wird schon alles richten. Und in der Tat: war alles halb so schlimm. Der „Buchstaller“ brachte alles in kurzer Zeit in Ordnung.

Vor der Abgabe der Räder setzten sich die „Gladiatoren der Neuzeit“ noch einmal für knappe 10 km auf die Böcke, um final die Abstimmung zu testen, ehe es dann zum Rad-Check In ging. Ein jeder, der schon einmal eine Langdistanz gemacht hat weiß, der Rad Check-In und die Abgabe des geliebten Radels ist der Auftakt und das „Vorspiel“ für den nächsten Tag, für den Hauptteil in drei Akten. Am besten, man bringt es schnell hinter sich und lässt sich nicht von den ganzen anderen Mitstreitern noch nervöser machen, als man sowieso schon ist. Gesagt, getan: wir stellten unsere Pferdchen schnell in ihren Boxen ab und machten uns schnell auf den Heimweg zu unserem Basiscamp nach Greding.

Der Rest des Samstags ist schnell erzählt: Sachen/Beutel packen für den nächsten Tag, ein paar Nudeln in der einzigen Pizzeria in Greding, auf die wir Ewigkeiten warten mussten, noch ein „Gute Nacht-Weizen“ und dann ab in die Koje. Schließlich sollte der Wecker um 3:45 gehen.

War das eine Nacht, wenn man überhaupt von „Nacht“ sprechen kann! Ich habe ja schon diverse Wettkampfnächte verbracht, aber so etwas Katastrophales hatte ich bislang noch nicht erlebt. Im Prinzip hatte ich kein Auge zu gemacht. Zudem hatte ich – schon ohne jegliche körperliche Anstrengung – geschwitzt, wie ein alter Finne bei 110 Grad in der Sauna. Das konnte ja heiter werden! Und der „Lauf“ den ich hatte, setzte sich beim Frühstück fort: mit Ach und Krach gingen gerade mal 1 ½ Brötchen rein. Nicht unbedingt eine solide Grundlage für das, was ich da heute vorhatte. Na ja, zum Glück schlummerten in den Depots ja noch die 2 Teller Kässpätzle vom Freitagabend sowie die Nudeln vom Vorabend. Und auch auf der Strecke sollte es an kulinarischen Köstlichkeiten von Riegeln, über Iso-Plörre bis Gel nicht mangeln. Irgendwie wirst Du heute schon satt werden, Lars.

Um 5.15 brachen wir dann zum Schwimmstart nach Hilpoltstein auf. Vielen Dank an Horst, der uns zu unchristlicher Zeit nach Hilpoltstein brachte und uns somit viel zusätzlichen Stress (den braucht man in dem Moment wirklich nicht) ersparte! Dort angekommen waren wir dann mit einem Mal ganz schnell, ganz tief im Renngeschehen. Endlich! Endlich sollte es bald losgehen. Dann das übliche Procedere vor dem Start: noch einmal in die Reifen husten, halbwegs stille Ecke für das Ankleiden der Gummipelle suchen, diverse Stellen mit Melkfett behandeln, Tape auf die „Tittis“, Radbeutel in die Wechselzone, After-Race-Beutel zum LKW und – ach ja, auch das ist obligatorisch – ein letztes mal auf’s Dixi. Hier klatschen Sascha und ich uns noch einmal ab; ein gutes Omen, wie sich noch später am Tag zeigen sollte. Dann, es muss inzwischen so 6:45 gewesen sein, langsam der Weg zur Schlachtbank – ich meine der Weg in den Startbereich. Nachdem Saschas Gruppe um 6:55 gestartet war durfte dann endlich auch meine Truppe in den Main-Donau-Kanal. Auch hier das übliche Procedere: erst mal in den Anzug pullern, um die richtige Betriebstemperatur zu bekommen, ein paar Kraulzüge (das fühlt sich heute recht gut an), noch mal raus aus dem Wasser, um das Wasser aus der Neopelle laufen zu lassen und wieder rein ins nasse Vergnügen.
Plötzlich ein lautes PENG!!!! Was war das???? Mist, das war der Startschuss; und ich hing noch knapp 100 m hinter der Startlinie. Na das fängt ja gut an, dachte ich mir. Die größte Katastrophe war jedoch, dass ich vor lauter Hektik nicht meine Stoppuhr ausgelöst hatte, mir somit beim Schwimmausstieg erst einmal meine Schwimmzeit fehlen sollte, die mir doch eigentlich die Richtung für den Tag vorgeben sollte. Egal! Jetzt wird geschwommen! Jammern ist nicht mehr, jetzt zählt es! Recht schnell fand ich meinen Rhythmus und es lief ganz ordentlich. Zudem keine große Keilerei, wie man sie von anderen Veranstaltungen, insbesondere Frankfurt, kennt. Mein Ziel war es, möglichst schnell jemanden zu finden, der ungefähr mein Tempo schwamm, um mich dann von ihm ziehen zu lassen. Nach ein paar erfolglosen Paarungsversuchen hatte ich nach ca. 700 m meinen Hasen gefunden! Der Typ war klasse! Der hämmerte ein Tempo vor, bei dem ich so gerade mitschwimmen konnte, ohne mich zu sehr verausgaben zu müssen. Hätte ich mir einen Hasen wünschen dürfen, ich glaube, ich hätte keinen besseren bekommen können. Ok, Benny vielleicht, aber der sollte erst 5 min nach mir starten.

Was auf den nächsten knapp 2,5 km geschah, ist schnell zusammengefasst: Ich schwamm meinem Pacemaker hinterher und setzte alles daran, ihn bloß nicht zu verlieren. Realtiv schnell waren wir schon auf einige Schwimmer der Gruppe aufgeschwommen, die 5 min vor uns gestartet waren. Und das waren nach den mutmaßlichen Endzeiten, die diese bei ihrer Anmeldung abgegeben hatten, keine Langsamen! Na, das läuft doch super dachte ich mir. Kurz vor der zweiten Wende verlor ich plötzlich den Kontakt zu meinem Guide. Da besaßen doch tatsächlich 2 andere Schwimmer die Frechheit, sich zwischen uns zu zwängen. Als ich versuchte, dagegen zu halten, bekam ich kurz eins auf die Nuss. Na ja, dachte ich mir, hängst Du Dich halt ganz hinten dran, bloß keinen Stress machen. Dann endlich war das Schwimmziel erreicht. Ein kurzer Blick auf die Stoppuhr gab mir Gewissheit: ich hatte die Stoppuhr nicht gestartet. Mist! Wie schnell war ich denn jetzt? Unter einer Stunde? Hat sich schnell angefühlt, aber das heißt ja nix! Dann plötzlich auf dem Weg in die Wechselzone der geniale Einfall: ich bin um 7:00 gestartet, d. h. es darf jetzt noch nicht 8:00 sein! Zwei mal auf die Uhr gedrückt und schon hatte ich die „richtige Zeit“. Was ich da sah, führte zum ersten Mal am heutigen Tag zu einem tiefen innerlichen Grinsen: 7:57! Wow!!! Und ich bin schon einige Sekunden an Land! D. h. Du bist um die 57 min geschwommen, Glückwunsch, Lars! Wahnsinn!
In der Wechselzone gab es dann die übliche kontrollierte Hektik: raus aus der Gummipelle. Ein wenig Pseudoabtrocknen, Radsocken an, Radschuhe an, Nummernband um die Hüfte und ab zum Gaul.

Die ersten Kilometer auf dem Bock waren schattig, brrrr! Das nasse Zeugs am Leib war doch etwas kühl. Mehr als 12 Grad waren es um die Uhrzeit auch noch nicht! Aber es lief ganz rund. Auf den ersten Kilometern immer schön eine Anzeige zwischen 35 und 39 km/h auf der Uhr. Gleichzeitig fiel mein Blick immer wieder auf den Puls. Der wollte einfach nicht runter gehen, obwohl sich das nicht sooo anstrengend anfühlte. Da stand immer was um 150 Schläge. Mensch Lars, das ist ne Nummer zu heftig. Ziel war etwas zwischen 140 – 145. Also reduzierte ich die Pace. Heute sollte alles mit Köpfchen und nicht mit der Brechstange gemacht werden. Das Ergebnis war, dass die Kollegen nur so an mir vorbeischossen. Ein Gefühl, das ich von den anderen Langdistanzen bestens kannte. Lensdorf wird auf dem Rad nach hinten durchgereicht, na toll! Aber im Gegensatz zu den ganzen Wettkämpfen zuvor kam dieses Mal überhaupt keine Unruhe bei mir auf. Lars, sagte ich zu mir, mache heute Dein Ding! Sollen die anderen fahren, der Tag ist noch sehr, sehr lang!
In Greding stand dann nach 37 km zum ersten Mal die Family am Straßenrand. Und ich lag genau im Zeitplan meiner schnellsten Marschtabelle, die ich prognostiziert hatte. Und das, obwohl ich doch so locker unterwegs war! Wow, zum zweiten Mal machte sich innerlich ein breites Grinsen bemerkbar! Ein tolles Gefühl, an den Liebsten vorbei zufahren und alles läuft rund.
Bis zum Solarer Berg, ca. bei km 70, gab es keine besonderen Vorkommnisse. Ich hatte mein Tempo gefunden, hatte immer meinen Puls im Blick und achtete darauf rechtzeitig zu essen und zu trinken, auch wenn mir eigentlich gar nicht danach war.
DANN: Solarer Berg! Ok, ein jeder, der hier starte weiß, da geht die Post ab, aber so etwas hatte ich bis dato noch nicht erlebt. Zig-Tausend Menschen auf einem Abschnitt von ca. 400 – 500 Metern. Zum ersten Mal am heutigen Tag schlugen meine Emotionen Purzelbäume; ja, ich glaube, meine Augen waren sogar ein wenig feucht! Danke, dass ich so etwas erleben darf, dachte ich! Oben auf dem Solarer Berg hatte die Realität mich dann aber wieder recht schnell eingeholt. Weiter geht’s! Noch ein paar km und dann geht es in die zweite Radrunde!

Die zweite Radrunde brachte dann den von mir erhofften Effekt. Zwar war alles nicht mehr ganz so locker, wie in der ersten Runde, woran der teilweise unangenehme Südwest-Wind seinen Anteil hatte. Aber den anderen ging es nicht besser. Ganz im Gegenteil! Langsam aber sicher folgen mir die schnellen Jungs aus der ersten Runde wieder entgegen. Aha, da seid ihr wieder, schön, Euch zu sehen! Beim 2. Mal Klavarienberg (ein paar Minuten Vor meiner schnellsten Marschtabelle) dann die Meldung von der Familiy: Sascha ist 5 min vor Dir! Was, dachte ich, nur 5 min? Der ist doch mit Abstand der bessere Radler; dann kannst Du doch nicht so langsam unterwegs sein! Mach das Ding so weiter, Lars! Gesagt, getan! Ich fuhr ohne größere Probleme das Ding zu Ende und freute mich, als ich nach knapp 180 km mein Radel ohne Defekt den super freundlichen Helfern in die Hände drücken und in die Laufschuhe wechseln durfte! Endlich Laufen!

Im Wechselzelt dann ein kurzer Schock: ich hatte vergessen, meinen Garmin vom Rad mit zum Laufen nehmen. Mist! Der sollte mich davor bewahren, zu schnell zu laufen. Mit 5:00 – 5:05 min/km wollte ich eigentlich angehen, in der Hoffnung, dieses Tempo dann weitgehend auch durchlaufen zu können. Zu oft hatte ich schon den typischen Fehler begangen und war im Geschwindigkeitsrausch nach dem Radfahren zu schnell losgelaufen, um dann spätestens bei km 20 grausam zu platzen. Vor diesem Fehler sollte mich heute eigentlich mein Garmin bewahren und jetzt hing das Ding noch am Rad. Ok, dachte ich, dann eben Plan B. Musst halt dann mit der Stoppuhr versuchen, die Kilometerzeiten zu kontrollieren. Beim Lauf aus der Wechselzone ein kurzer Blick auf die Uhr: 13:09!!! Wow, jetzt hast Du 3:50 Zeit für den Marathon! Das sollte reichen, wenn Du jetzt keine Fehler machst! Insbesondere Fehler Nr. 1 galt es zu vermeiden: zu schnell loslaufen. Nach km 1 ein kurzer Blick auf die Uhr: das war eine 4:45! Mist viel zu schnell! Aber es geht doch so gut, sagte da zum ersten Mal das Teufelchen in mir, das sich später noch einmal melden sollte! Das Engelchen sagte: Nimm Tempo raus! Also nahm ich Tempo raus! Am Ende von km 2, der auch noch leicht bergauf ging, wieder ein Blick auf die Uhr: ups, um die 4.50! Zu schnell! Wieder meldete sich das Teufelchen, aber das Engelchen war stärker! Ich nahm noch etwas raus und pendelte mich bei ca. 4:55 ein. War zwar noch immer ein wenig zu schnell, aber es fühlte sich einfach zu gut an. Gut dachte ich mir, was Du hast, das hast Du! Eine Devise, die zwar regelmäßig in die Hose geht, aber es ging einfach zu gut! Bei km 6 hatte ich dann mein Tempo gefunden und trabte recht locker am Kanal entlang. Da plötzlich, wie aus heiterem Himmel, kündigte sich ein Krampf im rechten Oberschenkel an! Bitte nicht, dachte ich mir. Das relativiert die 3:50 h, die Du für den Marathon zeit hast, ziemlich. Nimm Tempo raus, denk nicht an den Krampf und dann wird das wieder. Und was soll ich sagen: das Rezept half! Bei km 7 war wieder alles im Lot! Zunächst! Denn plötzlich verspürte ich das dringende Bedürfnis, eine Toilette aufzusuchen. Au Mist! Das darf doch nicht wahr sein! Wovon muss ich den auf die Toilette? Von den paar Riegeln? Wohl kaum! Getreu dem Motto: „es kann nicht sein, was nicht sein darf“ ignorierte ich auch diesen Reiz und auch dieses Mal klappte es. Die nächsten km waren dann durch die Monotonie des Main-Donau Kanals geprägt. Ich hielt konstant mein Tempo und verpflegte mich an den Verpflegungsstationen in Maßen mit Cola. Auch das wollte ich gegenüber früheren Langdistanzen besser machen: hatte ich mich in der Vergangenheit häufig recht planlos und nach dem Motto „viel hilft viel“ mit Gels und Cola versorgt und hatte ich so in aller Regelmäßigkeit meinen Magen spätestens bei km 20 total ruiniert, sollte auch dieses Mal die Vernunft siegen.

Bei km 12 hatte ich dann den ersten Wendepunkt der Laufstrecke erreicht. Kurz vorher kam mir Sascha entgegen, der gar nicht gut aussah. Mensch, dachte ich mir, noch ca. 2 min und Du bist bei ihm, Wahnsinn! Andererseits machte ich mir aber auch sofort bewusst, dass der Weg noch verdammt weit ist und sehr, sehr viel passieren kann. Daher verbot sich jeder „Zwischensprint“ schon von alleine! Bis km 20 änderte sich nicht viel. Ich wunderte mich nur, dass Sascha nicht in Sichtweite kam; er schien sich wieder berappelt zu haben. Bei km 20 an der „Lände Roth“ standen dann wieder Massen von Menschen. Eine willkommene Abwechslung nach der Monotonie des Laufens am Kanal. Und mitten drin die Family, die mir begeistert zurief, wie toll ich in der Zeit lag (9:40er-Kurs) und wie prima ich noch aussah. Im Gegensatz zu früheren Rennen stimmte das, glaube ich, sogar. Ich fühlte mich echt noch prächtig, soweit man das bei km 20/21 sagen kann. Auch unser Tria-Team aus Bruchköbel gab mir bei km 21 noch einmal einen richtigen Schub für die 2. Hälfte des Marathons, von der klar war, das die irgendwann richtig weh tun würde! Danke an die Tria-Connection aus Bruchköbel! Bei km 22 ging es dann wieder zurück zur Monotonie an den Kanal. Und langsam aber sicher wurde es doch beschwerlich. Doch 2 Dinge ließen mich doch weiterhin relativ flüssig mein Tempo runterspulen: Zum einen tauchte Sascha ca. 200 m vor mir auf. Zum anderen hatte sich ein Leidensgenosse an meine Fersen geheftet, der genau mein Tempo lief. In diesem Tempo-Sandwich – vorne Sascha, hinten Nr. xxx – ließ es sich ganz gut laufen. Aber es wurde immer härter. Insbesondere ab km 26. Von nun an ging es ca. 3 km immer leicht bergauf. Spass ist anders. Aber egal! Bei 29 wenden und dann nur noch heim ins Ziel. Mensch, das sind dann nur noch 14 km. Das entspricht der Standard-Kuschel-Laufrunde daheim. Das wirst Du doch wohl packen! So die Theorie! Die Praxis sah dann anders aus: ab km 31 verschlechterte sich mein Zustand rapide! Der Magen fing an zu rebellieren. Irgendwo hatte ich dann doch mal den Gels nicht widerstehen können und eine Überdosis Cola mit Gel zu mir genommen. Eindeutig zu heftig in diesem Moment. Kurz setzte zwischen km 32 und 33 dann wieder das bekannte Streitgespräch zwischen Engelchen und Teufelchen ein. Teufelchen: „Lars, geh ein paar Meter, das tut gut und vor allem, das tut nicht weh!“ Engelchen: „Lauf weiter, wenn Du heute die 10 Stunden Marke versemmelst, dann klappt das nie!“ Ein kurzer Blick auf die Uhr: noch fast 1 h für 9 km. Mensch, das sollte klappen! Andererseits: wenn einmal der Ofen aus ist, ist er aus! Es soll ja schon vorgekommen sein, das Leute für die letzten 2 km 30 min gebraucht haben. Also, dachte ich mir, nix anbrennen lassen. Nimm eine kurze Auszeit, geh ein paar Meter, lass sich den Magen wieder erholen und dann bringst Du das Dinge sicher heim! Einfacher gesagt als getan! Ich fing an zu gehen, aber besser wurde es nicht! Ganz im Gegenteil! Der Magen war jetzt offensichtlich am Ende. Gleichzeitig sah ich am Horizont noch Sascha, der sich in souveräner Manier mehr und mehr von mir entfernte. Aber, dachte ich mir, dem ging es doch eben auch dreckig und er hat sich wieder berappelt. Also, warum sollst Du das nicht auch packen. Und in der Tat, nach ein paar hundert Meter Gehpause schien es wieder besser zu werden. Ich konnte zumindest wieder leicht antraben. Am Kanal setzte ich dann die Taktik vom Triathleten des Jahres 2007 (Eingeweihte wissen, wen ich meine) ein: an der Verpflegungsstation gehen, dazwischen laufen. Und langsam kam wieder so etwas wie Power zurück. Bei km 38/39 war ich dann ein letztes Mal an der Lände in Roth angekommen. Von allen Seiten aufmunternde Rufe; „Du hast es gleich geschafft, hau rein“! Auch die Family gab mir hier noch einmal den letzten Push. Gut 3 km noch und bis zur 10 Stundenmarke noch eine gute halbe Stunde Zeit. Das sollte langen! Die letzte Gehpause gab’s dann bei der Verpflegung bei km 40. Schließlich brauchte ich jetzt noch mal ein wenig Extra-Power zum Jubeln. Der letzte km war dann Genuss pur. Menschmassen wo man hinblickte, die Gewissheit, es unter 10 Stunden gepackt zu haben (und das nicht nur so eben, sondern mit einer Zeit, von der ich noch nicht einmal zu träumen gewagt hatte); meine Emotionen überschlugen sich!

Hinter der Ziellinie fiel ich nach 9:44:30 h und „mit Pipi in den Augen“ Sascha in die Arme, der kurz vor mir in 9:43:56 die Finishline überquert hatte. Ganz Starke Leistung vom ihm, zumal auch er Magenprobleme hatte. Besonders vor seiner Laufzeit von 3.32:xx ziehe ich meinen Hut! Wir lagen uns in den Armen und konnten unser Glück nicht fassen.

Das Glück war perfekt, als Stephan und Benny mit 10:10 und 10:11 nicht viel später gesund und jeweils mit persönlicher Bestzeit das Ziel erreicht hatten.

Und hier noch mal die Einzel-Splits:

PLATZ PL.AK STARTNR. NAME AK SWIM T1 BIKE T2 RUN FINISH
244 43 697 » LENSDORF, Lars (GER)
M40 00:56:53 00:03:57 05:05:42 00:03:06 03:34:55 09:44:30

Oh what a day!

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